Montag, 13. Dezember 2010

7. Tag - Macuelizo: Terror, Drohungen und Angst - und der Wille, das Leben in die eigene Hand zu nehmen

Wir fühlen uns ein wenig wie im Nicaragua der 80er Jahre, als wir in Macuelizo an einem Bildungsseminar der Organisation Patronate Regional del Occidente (PRO), einer Basisorganisation für lokale Entwicklung im Bundesland Santa Bárbara, teilnehmen. Im Versammlungssaal der Sekundarschule des malerischen Dörfchens sitzen gut 60 Delegierte der umliegenden Gemeinden  auf Plastikstühlen vor einer Leinwand, auf die der Overheadprojektor Grafiken und Statistiken wirft, die die politische Lage in Honduras erklären sollen.

Politische Bildung im Dorf Macueliza
 
Kurz zuvor hat Oscar Mendoza in seiner Eröffnungsrede der Versammlung die Aufgaben und Ziele des Tages vorgestellt. Die großteils männlichen TeilnehmerInnen sollen sich Kompetenzen erarbeiten und durch die Diskussion geteilter Probleme auf der Grundlage einer gemeinsamen Wissensbasis handlungsfähig werden. Zum Einstieg gibt es daher eine Präsentation über die „sozialen Realitäten“ in Honduras, professionell aufbereitet von einem Soziologen der Lutheranischen Gemeinde, die PRO tatkräftig unterstützt.

Dazu gehört es auch, die gegenwärtige Lage einzuschätzen. Und was die De-facto-Regierung von Staatschef Porfirio Lobo betrifft, kommen die Delegierten zu keinem guten Resümee. Es sei eine schwache Regierung, die sich genötigt sehe, sich auf Militär und rohe Gewalt zu stützen. Nicht nur Menschenrechtsverletzungen, sondern auch die internationale Isolation von Honduras gingen auf ihr Konto. Die Koalition unter Lobo, die sich „Regierung der nationalen Einheit“ nennt, hätte im Kontrast zu diesem Slogan mit ihren unsozialen Maßnahmen das Land weiter polarisiert, so z.B. mit der Einführung der Stundenarbeit.

"Mit dem Ziel, uns Kompetenzen zu erarbeiten"

PRO agiert mit einer Kombination aus Verhandlungen und Druck, der z.B. durch Straßenblockaden aufgebaut wird. Dabei sind sie einer ständig steigenden, lebensbedrohlichen Repression ausgesetzt. Erneut erfahren wir, was die Kolumbianisierung des Konflikts in Honduras in der Lebensrealität der Menschen bedeutet. Die illegalen Hinrichtungen und Morde werden erst an (mutmaßlichen) Kriminellen verübt, um dann in der zweiten Phase auch AktivistInnen der sozialen Bewegung zu töten, sozusagen als Fortsetzung einer Kampagne „sozialer Säuberung“.

„Wir befinden uns inmitten der ersten Phase dieser Strategie, die auch in Kolumbien gegen soziale Bewegungen zur Anwendung kommt“, meint ein Aktivist in Macuelizo.

In der Region kam es in den letzten Monaten zu sieben solcher illegaler Hinrichtungen, zwei davon in Macuelizo. In dem trügerisch idyllischen Dorf schossen zivile Polizisten mit Sturmhauben einem Kleinkriminellen vor den entsetzten Blicken der DorfbewohnerInnen am Hauptplatz in den Kopf, um die Leiche an Ort und Stelle liegen zu lassen.

Zusammen mit den ständigen Morddrohungen gegen die BasisaktivistInnen schaffen solche Gewaltakte ein Klima der Angst. Die Anspannung und der Stress sind den TeilnehmerInnen der Veranstaltung deutlich ins Gesicht geschrieben. 

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Nachtrag am 14. Dezember 2010:
In einem Telefonat mit einem Aktivisten in Macuelizo, der aus erklärlichen Gründen namentlich nicht genannt werden will, erfahren wir von drei weiteren Morden, die in der Nacht von Sonntag auf Montag verübt wurden. Zwei Tote wurden auf der Hauptstraße in Macuelizo gefunden, eine weitere Ermordete in dem Ort Virrey, 10 Minuten von Macuelizo. Nähreres ist leider noch nicht bekannt.