Deutsche Botschaft: Der Putsch muss aufgearbeitet werden, Lobo aber ist zu unterstützen
Am Morgen traf sich die Delegation zu einem Gespräch mit Karl-Heinz Rode, dem deutschen Botschafter in Honduras. Dieser trat sein Amt wegen dem Putsch nicht wie vorgesehen im Juli 2009 an, ist aber seit dem Amtsantritt Lobos Ende Januar 2010 als offizieller Vertreter der Bundesregierung in Tegucigalpa. Als solcher "unterstützt er die Regierung Lobo", obwohl er die Wahlen für kritisierungswürdig hält; aber letztendlich wäre "die Regierung trotzdem eine Chance des Übergangs zur Demokratie". Er rechtfertigt die Wiederaufnahme der Beziehungen vor allem mit der krassen Armut in Honduras und damit, dass man als großer Geldgeber des von finanzieller Entwicklungshilfe abhängigen Landes nicht mehr als ein halbes Jahr die Finanzen einfrieren könne. Berichte über die fatale Situation der Menschenrechte schickt Rode regelmässig nach Berlin. Im Juni wird eine Regierungsdelegation aus Deutschland erwartet, um die Entwicklungszusammenarbeit ab 2011 zu planen (Bildung, Unterstützung von Klein- und Mittelindustrie & Ressourcenschutz).
EU-Vertretung verteidigt Investitionen in den honduranischen Sicherheitsapparat
Die VertreterInnen der Delegation trafen sich mit der Beauftragten für Entwicklungszusammenarbeit und zivilen Dialog der EU-Vertretung, Vanessa Valladares, und dem Beauftragten für politische Angelegenheiten, David Bouanchand. Von besonderem kritischen Interesse ist das EU-finanzierte Programm zur Stärkung des Sicherheitsbereichs (PASS) mit einer Gesamtsumme von 44 Mio. Euro. Damit sollen der Oberste Gerichtshof, Staatsanwaltschaft und Sicherheitsministerium gestärkt werden; also die AkteurInnen des Putsches von 2009 und die Verantwortlichen von aktuellen Repressionsmassnahmen. Valladares teilt die Kritik der Delegation nicht: das größte Problem in Honduras sei die allgemeine Gewalt und organisierte Kriminalität, nicht die politische Repression. Und Schlagstöcke dürfe die Polizei von EU-Geldern nicht erwerben. Die EU überwache die Menschenrechtslage in Honduras, aber das Programm würde derweil nicht dadurch in Frage gestellt, könnte sich aber aufgrund der offensichtlichen Ineffizienz der Institutionen in seiner Ausführung verzögern.
Übergriff auf die renommierte Menschenrechtsorganisation COFADEH
Als wir informiert wurden, dass sich gerade PolizistInnen und ein Staatsanwalt Zugang zum Gebäude von COFADEH verschafft hatten, um die Herausgabe vertraulicher Dokumente zu erzwingen, fuhren wir sofort zum Ort des Geschehens. Koordinatorin Bertha Oliva vermutet als Motiv des frühmorgendlichen Besuchs das Interesse an Zeugenaussagen im Fall der Ermordung eines Anwaltes, der gegen eine private Sicherheitsfirma ermittelt hatte. COFADEH arbeite mit den staatlichen Behörden zusammen, sei aber „als private Einrichtung vor allem den Opfern von Menschenrechtsverletzungen verpflichtet und nicht den öffentlichen Behörden“, empört sich Oliva. Die Herausgabe vertraulicher Aussagen von Opfern zu verlangen diene lediglich dem Ziel, Druck auf die NGO auszuüben und die von ihr betreuten Personen einzuschüchtern. Die 1982 gegründete Organisation betreut Betroffene von Menschenrechtsverletzungen und deren Angehörige. Bertha Oliva erhielt als Anerkennung für ihre Arbeit gerade den Menschenrechtspreis der holländischen Regierung.
Liberale im Widerstand wenden sich gegen die deutsche Friedrich-Naumann-Stiftung
Am Abend ein Treffen mit Olvin Mondragon, einem ehemaligen Stipendiaten und Ausbilder der Friedrich-Naumann-Stiftung in Tegucigalpa. Einst stellten die Liberalen und die Konservativen die beiden größten Parteien in Honduras. Heute ist die Liberale Partei gespalten. Die Hälfte ihrer Angehörigen bezeichnet sich als Liberale im Widerstand. Von den ehemaligen Verbündeten der Friedrich-Naumann-Stiftung sind sie tief enttäuscht. Regionalchef Christian Lüth verkündete direkt nach dem Putsch auf der Homepage, dass es sich hierbei um eine „Rückkehr zur Demokratie“ gehandelt habe. An dieser Meinung hält er bis heute fest. Olvin Mondragon und viele ehemalige StipendiatInnen fühlen sich vor den Kopf gestossen, hatten sie doch selbst viele Jahre auf Seminaren der Stiftung im ganzen Land „Demokratie, Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt“ propagiert. Mondragon bezeichnet sich heute als Linksliberaler und ist in der Demokratiebewegung aktiv. Die Friedrich-Naumann-Stiftung fördere seit dem Putsch nur noch „Kinder der Oligarchie“.
Coyolito
Im Laufe des Tages erreichte uns ebenfalls die Meldung, das es in Coyolito zur Räumung durch Polizeieinheiten unter Einsatz von Tränengas gekommen war. Laut der Menschenrechtsorganisation COFADEH kam es zu 14 Festnahmen, darunter drei JournalistInnen des kommunalen Radios „Voz de Zacate Grande“.
Die Festgenommenen werden mittlerweile länger als 24 Std. ohne Haftbefehl festgehalten, obwohl dies laut honduranischem Recht nicht zulässig ist. Fünf der in Haft sitzenden Personen haben Verletzungen durch Schläge und Tränengaseinsatz. Eine weitere Person befindet sich mit schweren Verletzungen im Krankenhaus.