Dienstag, 25. September 2018

Mordprozess Berta Cáceres: Zähes Ringen um ein rechtsstaatliches Verfahren


Berta Cáceres Foto: HondurasDelegation - Ole Schmidt
TEGUCIGALPA (25.09.2018 – HondurasDelegation).  Der Beginn der Verhandlung gegen die acht mutmaßlichen Täter und Mittelsmänner im Mordfall Berta Cáceres ist weiter in der Schwebe. Am heutigen Montag, 25. September lief die Frist ab, in der der Oberste Gerichtshof über den Befangenheitsantrag gegen die bisherigen Richter*innen, hätte entscheiden müssen. Theoretisch – denn tatsächlich hatte eben dieses Gericht offensichtlich seine Stellungnahme nicht rechtzeitig eingereicht, obwohl es dazu verpflichtet gewesen wäre. Ein weiteres Detail der Funktionsweise der honduranischen Justiz, über die in Fällen von Morden an Menschenrechtsvertei-diger*innen und Aktivist*innen sozialer Bewegungen, fast nur im Konjunktiv gesprochen werden kann.  Beobachter*innen, Unterstützer*innen von Bertas Organisation COPINH, internationale Anwaltsorganisationen, Künstler*innen aus aller Welt warten derzeit, wie sich der Prozess weiterentwickelt. Das Camp vor dem Gerichtsgebäude harrt des Aufgebautwerdens, die zahlreichen  Bewohner*innen der in COPINH organsierten Lenca-Gemeinden kehrten wieder in ihre Dörfer zurück, manch internationale/r Begleiter blickt mit gerunzelter Stirn auf das Visadatum im Pass.

 

Auch wenn sie den Prozessbeginn verzögern und die Planungen für die Beobachtung und Begleitung erschweren, sind die Rechtsmittel der Nebenklage fundamental, um Rechtsstaatlichkeit und Respekt vor den Opfern einzufordern. Im besten Fall hilft die gewonnene Zeit auch, damit die Sachverständigen die  seit Mai 2016 zurückgehaltenen Beweismittel (unter anderem aus Durchsuchungen der Büros des Unternehmens DESA und von Privathäusern der Angeklagten) auswerten und damit die Nebenklage endlich Zugang zu den Informationen bekommt, die ihr immer noch vorenthalten werden.

Vermutlich wird das bisherige Gericht weitermachen; die Hoffnungen konzentrieren sich darauf, dass es in Zukunft unparteiischer agiert und einen rechtsstaatlichen Prozess für die Angeklagten ebenso wie für die Nebenkläger*innen gewährleistet. “Wir wollen auf keinen Fall, dass die Angeklagten in einem zweifelhaften, von Unregelmäßigkeiten geprägten Verfahren verurteilt werden, denn das öffnet einer späteren Annullierung wegen Verfahrensfehlern Tür und Tor,” betont Bertha Zúniga, Bertas Tochter und Nachfolgerin in der Koordination des COPINH. Gegen einen der Angeklagten, Emerson Duarte, in dessen Wohnung die mutmaßliche Tatwaffe gefunden wurde, liegt offensichtlich auch nach Abschluss der Beweisaufnahme weiterhin nichts vor, was die Anklage gegen ihn wegen des Mord an Berta Cáceres und versuchten Mordes an Gustavo Castro rechtfertigen würde.

Einen möglichen Teilsieg hat COPINH bisher errungen: Bisher waren in Honduras nur Organisationen als Nebenkläger zugelassen, die durch ein Verbrechen an einer Leitungsperson einen Vermögensverlust erlitten hatten; der extreme organisatorische und psychische Schaden, der COPINH und seinen Mitgliedern durch den Mord an Berta entstanden ist, spielte für das Gericht keinerlei Rolle. Diese Praxis könnte sich in Zukunft ändern: Zumindest wurde der Antrag nicht abgelehnt und ein Berufungsgericht wird sich nun damit befassen. Ein Urteil dazu wird es aber womöglich erst dann geben, wenn die laufende Verhandlung schon vorbei ist.

Vor zwei großen Herausforderungen stehen Bertas Familienangehörige und COPINH und alle die sich weltweit dem Ruf “JusticiaParaBerta” anschließen, derzeit:

Erstens muss verhindert werden, dass das Verfahren sich in extremer Engführung ausschließlich auf die Mordnacht 2. auf 3. März 2018 konzentriert, wie bisher von Staatsanwaltschaft und Gericht intendiert, ohne dass der Kontext, die monatelangen systematischen Drohungen und Attacken gegen Berta und COPINH im Zusammenhang mit ihrem Widerstand gegen das Wasserkraftwerk “Agua Zarca” einbezogen würde. Es wird schwierig, dazu im Prozess neue Beweisanträge zu stellen, ohne dass darauf verwiesen wird, Ähnliches sei bereits im Vorfeld ablehnt worden. Auch deshalb haben die Anwälte der Nebenklage gegen diese Ablehnung ebenfalls Rechtsmittel eingelegt.

Zweitens ist wichtig, die bisher große internationale und landesweite Aufmerksamkeit, Beobachtung und Berichterstattung trotz der Verzögerungen und Unwägbarkeiten über die geplanten fünf Prozesswochen aufrecht zu erhalten und vor allem vor dem Urteil nochmals deutlich zu steigern.

Mit der gesetzlich vorgeschriebenen Öffentlichkeit der mündlichen Hauptverhandlung hapert es indes auch weiterhin. Mehr als einen kleinen Saal mit 60 Plätzen hält die honduranische Justiz bisher nicht für notwendig um diese herzustellen. Auch in diesem Punkt darf also der internationale Druck nicht nachlassen.