Edras Ayala |
Edras Ayala wuchs mit seiner Mutter und sieben Geschwistern in einem der ärmsten Munizipien (Erandique, Lempira) von Honduras auf. Die Familie der
Mutter wählte seit
Jahrzehnten die Nationale Partei. Als er selbst das erste Mal seine Stimme –
Mitte der 90er Jahre - abgeben durfte, entschied er sich für die etwas
weniger korrupte Liberale Partei.
Aktiv in die Politik wollte er nie – doch dann kam der Putsch. Erst
protestierte er gegen den Putsch mit der Widerstandsbewegung auf der Straße;
dann trat er bei den Wahlen 2013 als Bürgermeister-Kandidat für die aus der Widerstandsbewegung entstandene Partei
LIBRE an. Im Heimatbezirk [departamento] des amtierenden Präsidenten Juan
Orlando Hernandez war die Niederlage vorprogrammiert.
Die Allianz der Opposition, einem Mitte-Links- Wahlbündnis von drei politischen Parteien, gewann die Regierungspartei die Wahlen in Lempira. In
einem Interview mit der HondurasDelegation erklärt Edras Ayala, wie der Wahlbetrug auf muniziapler Ebene funktioniert.
Wie sind Sie
2017 in den Wahlkampf gegangen und wie verlief die Kampagne?
Nach dem wir die Wahlen im Jahr 2013 nicht nur auf munizipaler Ebene, sondern auch
auf nationales Ebene verloren haben, organisierten wir uns als Partei besser.
In der Kampagne 2013 waren wir neu und mussten uns mit zwei große etablierte Parteien
messen, außerdem kannte man uns hier auf dem Land nicht und wir hatten keine
finanziellen Mittel für eine Kampagne. 2013 haben wir angefangen, die Menschen in den Gemeinden im Munizip (kleinste
Verwaltungseinheit in Honduras) zu
besuchen und mit ihnen zu reden. Wir haben mehr Bildungsarbeit als Kampagne
gemacht. Wir sprachen mit den Menschen über Demokratie, was ist ein Staat ist, wie Armut entsteht
und wie wir die derzeitige Situation überwinden könnten. Dabei bin ich mit Tafel und Kreide losgezogen. Es wurde gut von den Menschen aufgenommen, aber wie es in Honduras ist,
kurz vor den Wahlen wurden Stimmen gekauft und viele Leute stimmen nicht mit
dem Kopf, sondern mit dem Magen ab.
Wahlplakat der Allianz der Opposition |
In den diesjährigen Wahlen haben wir eine Allianz gegründet, LIBRE, PINU und die Liberale Partei. Die Allianz
war nicht offiziell, da auf nationaler Ebene die Liberale Partei keine Allianz mit
LIBRE einging.
Unser Ziel war nicht nur eine Veränderung in Erandique herbeizuführen, sondern
vor allem die Regierungspartei - Nationale Partei (PN) - zu entmachten. Da mit ihr die
Korruption zugenommen hatte, es jedoch keine Politik gibt, um die wirtschaftliche
und soziale Lage zu verbessern.
Die Wahlkampagne in diesem Jahr war anders als im Jahr 2013, da wir mit der Liberalen
Partei kooperierten. Diese führte eine traditionelle politische Kampagne durch, obwohl wir von LIBRE in
der politischen Bildungsarbeit ein Potenzial sehen und dies lieber gemacht hätten, haben wir
auf munizipaler Ebene einer gemeinsamen Kampagne den Vorzug gegeben.
Wie verläuft der Wahlbetrug auf lokaler Ebene?
Es gibt viele Formen des Wahlbetruges. Auf Ebene der Munizipien wird zum einen durch die regierende Partei die gesamte Amtszeit genutzt, um Stimmen zu gewinnen. Es wird Druck auf die Leute ausgeübt und Programme
zur Verbesserung der Lebensbedingungen werden konditioniert. Zum Beispiel wird
das Regierungsprogramm „Vida Mejor“ (Besseres Leben] zum Stimmenkauf genutzt.
Das funktioniert so, dass die PN Leute unter Vertrag nimmt, die
verantwortlich dafür sind, die Hilfsgüter aus diesem Programm zu verteilen. Sie bestimmen einfach die Familien, die begünstigt werden. Die Familien müssen sich im
Gegenzug dazu verpflichten, die PN zu wählen.
Angestellte im Rathaus führen bestimmte Verwaltungsakte für Privatpersonen nur durch, wenn diese sich verpflichten,
die PN zu wählen. In unserem
Munizip ist die PN so weit gegangen, die Ärzte in den öffentlichen Gesundheitsstationen zu verpflichten, vor
einer Behandlung einen politischen Diskurs für die Regierungspartei zu halten. Es gab im ganzen
Verwaltungskreis Erandique nur einen Arzt, der sich dem verweigert hat.
Genauso ist es mit Arbeitsplätzen ob im privaten oder öffentlichen Sektor, die Mitglieder der PN nehmen nur Leute
unter Vertrag, die ihre Partei wählen. Viele Menschen halten den Druck, der über Jahre
aufgebaut wird, nicht aus und wählen die PN.
Staatliche Programme, wie das zur Verbesserung der Infrastrukur und öffentlicher Dienste,
werden in den Munizipien durchgeführt, wo mehrheitlich die Regierungspartei gewählt wurde.
Andere Munizipien gehen leer aus und das beeinflusst natürlich die öffentliche
Meinung.
Das gleiche passiert auch mit Projekten der internationalen Entwicklungszusammenarbeit,
so konnten beispielsweise nur Gemeinden der PN am Projekt „Bono de la sequia“ [ein
Programm gegen die Dürre als Folge des Klimawandels] teilnehmen.
Was passiert
unmittelbar vor den Wahlen und am Wahltag?
Die Tage vor der Wahl und am Wahltag selbst sind entscheidend. Zwar
ist es verboten, dass vor den Lokalen Kampagne gemacht wird, aber da es keine
Gewaltenteilung gibt, steht die Polizei daneben und schaut tatenlos zu. In
Erandique wurden am Vorabend Zementsäcke verteilt und am Wahltag wurden am Eingang des Wahllokales
Stimmen gekauft. 200-300 Lempira (8-12 EUR) wurde pro Stimme bezahlt. In
Anbetracht der Armut, ist es für viele Menschen viel Geld und dann bestimmt der Magen. Bedauerlicherweise lassen auch ökonomisch gut gestellte Leute ihre Stimme kaufen. Häufig sind es
auch Menschen, die eine gute Bildung und einen Arbeitsplatz haben.
Am Wahltag selbst wurde auch mit dem sogenannten „voto cantado“ Wahlbetrug
gemacht. Laut Gesetz ist es erlaubt, dass akkreditierte Wahlhelfer*innen für Menschen mit
Behinderung, kranke und alte Menschen wählen können. Die Auslegung welche Personen zu diesem Kreis gehören wurde von
der PN überzogen und es
gab mehr „votos cantados“ für die PN.
Außerdem wurden Leute bestochen, von denen man weiss, dass sie die
Opposition wählen würden, damit sie
nicht zur Wahl gehen. Die Leute, die sich bestechen lassen, geben ihren
Personalausweis vor dem Wahltag ab und bekommen ihn nach der Wahl wieder.
Definitiv entscheiden die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel über die Wahl und
nicht das Wahlprogamm. Das ist natürlich frustrierend und demotiviert viele Menschen, die
jeglichen Glauben an die Politik verlieren.
Wie wird von der
PN kontrolliert, wer für sie wählt?
Da die Wahllokale von den Parteien besetzt sind, kann man dies sehr gut kontrollieren.
Jedes Wahllokal setzt sich aus akkreditierten Wahlhelfer*innen jeder Partei
zusammen. Da im Vorfeld auf nationaler Ebene sogenannte „partidos de maletin“
(Briefkastenparteien) gegründet wurden, die de facto zur PN gehören, hat die Regierungspartei mehr Akkreditierungen als
die anderen Parteien. Die Wahlhelfer*innen haben das Wählerverzeichnis
und wissen, welche Person zu welcher Wahlurne gehört. Wenn sie meine Stimme kaufen, würden sie mir
beispielsweise sagen, dass ich auf dem Wahlzettel ein zuvor vereinbartes
Zeichen, einen Buchstaben oder eine Zahl machen soll, statt eines Kreuzes.
Damit bleibt der Wahlzettel gültig. Sie selbst machen das gleiche Zeichen im Wählerverzeichnis
und können hinter her
vergleichen, ob alle, deren Stimmen gekauft wurden, auch für sie gestimmt
haben.
Wie ist Ihre Motivation
für die weiteren
politischen Aktivitäten nachdem Sie so viel Energie für die Kandidatur
aufgebracht haben und am Ende dem Wahlbetrug nichts entgegensetzen können?
Zum Glück bin ich in ökonomischer Hinsicht nicht auf den
Posten im Rathaus angewiesen, aber ich bin frustriert, dass es keine Veränderung gibt.
Ich denke aber, dass man sich auch außerhalb der Politik für die
Gesellschaft einsetzen kann. Derzeit bin ich ehrenamtlich im Gemeinderat meines
Nachbarschaftsviertels tätig und in Zukunft werde ich andere Wege gehen, und werde mich im Bildungssektor mehr engagieren.