Mittwoch, 10. August 2022

Tegucigalpa, 8. und 9. August

Delegationsbericht 3

Ein von OFRANEH gecharterter Bus sammelt morgens früh Gemeindemitglieder aus San Juan und Triunfo ein, Trommeln und Kräuter zum Teekochen werden eingepackt und langsam quält sich der in die Jahre gekommene Bus die Berge hinauf in Richtung der Hauptstadt, mit mehreren Stopps, um den Motor wieder abkühlen zu lassen. Dort werden wir auf Gruppen aus anderen Garífuna-Gemeinden treffen, die sich zu einer großen Demonstration zum Tag der indigenen Bevölkerungen am 9. August versammeln. Erst im Dunklen erreichen wir, noch dazu im Regen, die Stadt und sind erleichtert, im Gewerkschaftshaus Stibys und nicht wie vorher angekündigt im Zeltlager unterzukommen. Der Saal ist bereits komplett in ein riesiges Matratzenlager verwandelt und es werden noch mehr Busse erwartet. Dankbar nehmen wir das Abendessen aus der Campküche entgegen und bald schon nehmen wir unsere Matratzen ein.

In aller Frühe geht das Licht an und „Buenos Días“ und „Buiti Binafi“ schallen durch den Raum. Alle gemeinsam räumen das Matratzenlager auf, dann beginnt der Tag mit einer Zeremonie der Garífuna. Gut 500 Personen sind aus den verschiedenen Gemeinden angereist, nicht nur aus den Garífuna-Gemeinden, sondern auch aus den indigenen Gemeinde der Tolupanes, der Pech und der Maya Chortí. Später auf der Demonstration werden noch bei COPINH organisierte Lenca dazustoßen. Zunächst staunen wir über die Organisation, die es schafft, so viele Menschen im Matratzenlager und in noch schnell vor der Tür errichteten Zelten unterzubringen und mit Abendessen und Frühstück zu versorgen.
 
    
Demonstrationszug
am Internationalen Tag der indigenen Völker


Die Demonstration an sich hat einen traurigen Anlass: Noch immer ist der Fall der vier gewaltsam Verschwindengelassenen aus Triunfo de la Cruz nicht aufgeklärt, über den Verbleib der von Bewaffneten in Polizeiuniformen entführten Männern ist nichts bekannt. Bisherige Forderungen an die Generalstaatsanwaltschaft blieben unbeantwortet. Weder fand eine umfassende Untersuchung statt, noch wurde das von den Garífuna gegründete Ermittlungskomitee SUNLA in die offiziellen Untersuchungen einbezogen. Auch die Forderung nach der Einrichtung einer Staatsanwaltschaft für Fälle von Gewaltsamen Verschwindenlassen ignorierte die Generalstaatsanwaltschaft bisher. Ebensowenig werden die Urteile des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofs zu den Gemeinden Triunfo de la Cruz und Punta Piedra aus dem Jahr 2015 umgesetzt, laut denen den Garífuna-Gemeinden ihre angestammten Territorien zurückgegeben werden müssen. Das gewaltsame Verschwindenlassen der Garífuna aus Triunfo de la Cruz, unter ihnen der Präsident des Patronatos Sneider Centeno, stehen höchstwahrscheinlich in Zusammenhang mit deren Kampf für die Rückgabe der angestammten Territorien. In einer Erklärung bringt OFRANEH die bisherigen Forderungen erneut zum Ausdruck, mit der Demonstration zum Gebäude des Ministerio Público, der Generalstaatsanwaltschaft wollen die Garífuna endlich Antworten von der Behörde erhalten.


Wegen dunkler Wolken am Himmel wird die Demonstrationsroute abgekürzt und die Teilnehmenden versammeln sich nur zu einer Kundgebung vor dem Ministerio Público. Mit Trommeln besetzen sie die Stufen vor dem Gebäude und beginnen mit einer weithin hörbaren Zeremonie. Vor einem Jahr hätten sie dem Ministerio Público konkrete Forderungen unterbreitet und dieses hätte nicht einmal geantwortet, reklamiert Miriam Miranda, Koordinatorin von OFRANEH in ihrer Rede. 

Die Koordinatorin von OFRANEH Miriam Miranda
 bei der Auftaktkundgebung

Nach den Redebeiträgen beginnen die Anwesenden, in das Gebäude hineinzugehen. Sie machen dabei von ihrem Recht Gebrauch ein öffentliches Gebäude zu betreten und werden auch von niemandem aufgehalten. Doch im Inneren verharren sie schließlich zwei Stunden vor verschlossenen Bürotüren; kein*e Mitarbeiter*in zeigt sich bereit, zu den Fragen und Forderungen von OFRANEH Stellung zu beziehen, geschweige denn überhaupt mit den Demonstrierenden zu sprechen.


Abschlusskundgebung

 
Schließlich verlassen die Demonstrierenden das Gebäude der Staatsanwaltschaft wieder, aber nicht ohne eine kraftvolle Abschlussrede vor der Tür. „Warum haben sie Angst vor der Bevölkerung? Warum sind sie nicht da, um den Forderungen der Bevölkerung gerecht zu werden?“ fragt Miriam Miranda. Viele der Funktionär*innen hätten selbst ein Haus am Strand, sie haben sich die Territorien angeeignet und würden diese weiter aneignen. „Diese Institutionen, die ihre Aufgaben nicht erfüllen, müssen beseitigt werden und die Bevölkerung muss die Kontrolle übernehmen!“ schließt Miranda unter wütendem Applaus.