Donnerstag, 18. August 2022

Punta Piedra, 18. August

Delegationsbericht 6

Heute holpern wir durch Palmölplantagen in Richtung Osten und gelangen nach etwa einer Stunde in den kleinen Küstenort Punta Piedra. Hier ist vieles anders als bei unseren bisherigen Besuchen. Wir machen keinen Spaziergang durch den Ort und erst recht nicht zu den von Dritten besetzten Landstücken, die der Garífuna-Gemeinde als traditionelles Gebiet zustehen. 2015 hat der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte den honduranischen Staat verpflichtet, dafür zu sorgen, dass sie an die Gemeinde zurückgegeben werden. Auch Entschädigung für einen Mord soll es geben.

Palmöl-Monokultur


Drei Männer und sechs Frauen haben sich in einem winzigen, türkisfarbenen Haus hinter der Kirche versammelt, um uns zu berichten. „Keine Namen und keine Fotos“, wird uns bedeutet. Das Thema ist auch hier: Sieben Jahre sind seit dem Urteil vergangen und nichts ist geschehen.

Die Nachbarn, die weiter ihre Rinder auf dem Territorium der Garífuna weiden lassen und offenbar gerne auch mal bewaffnet durchs Dorf laufen, sind nah und die Anspannung ist spürbar. „Wenn ich auf meine Parzelle zum Arbeiten gehe, können sie mir jeden Moment was antun“, berichtet der Präsident des Patronato. Er verheimlicht nach Möglichkeit sogar, dass er dieses Amt innehat, um sich nicht unnötig zu exponieren. „Glaubt mir, das hier ist kein Leben mehr,“ seufzt eine ältere Frau. Früher habe man auf den steilen Hängen über der Gemeinde Reis angebaut, das sei nun nicht mehr möglich. 1993 wurde ein großer Teil der Gemeindefläche von Externen besetzt. Seither müssen fast alle Nahrungsmittel gekauft werden. Wer keine Familienangehörigen in den USA hat, kann das kaum mehr schaffen. Der Preis für Reis hat sich in den letzten Monaten verdreifacht. Das angestammte Territorium der Gemeinde umfasst 2.300 Hektar, erfahren wir, doch tatsächlich verfügt sie seit langem nur über 800 davon. Bei den Invasoren handelt es sich überwiegend um Großgrundbesitzer, die auf der Fläche Rinder halten, sich aber auch „illegalen Aktivitäten“ widmen. Das Wort Drogenhandel will den Mitgliedern des Patronato nur schwer über die Lippen, denn die Drogenhändler sind „angesehene Leute“, besser man hält Distanz zu ihnen. Gefährlich könne es werden, wenn diese ein Grundstück von einer Person haben wollten und diese sich weigern würde, es ihnen zu verkaufen. Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte hat auch Schutzmaßnahmen für Punta Piedra angeordnet, aber davon sei wenig zu spüren. Auch was die im Ort stationierten Polizist*innen tun, außer manchmal mit dem Auto hin- und herzufahren, ist den Anwesenden nicht recht klar. Um sich für die Umsetzung des Urteils stark zu machen, war eine Abordnung von ihnen mit bei der großen Demonstration in Tegucigalpa am 9. August. „Wir vertrauen darauf, dass die jetzige Regierung das Urteil umsetzt“, sagt der Präsident des Patronato.

Gefragt nach den Problemen der Gemeinde, lautet die Antwort immer wieder: die fehlenden Territorien. Aber auch die immer geringere Ausbeute beim Fischfang treibt die Menschen um, denn dieser ist eine weitere wichtige Nahrungs- und Einkommensquelle. Abzuwarten ist, ob sich durch die Ausweisung eines neuen Schutzgebiets zwischen Limón und Iriona die Bestände erholen werden. Die handwerkliche Fischerei soll dabei erlaubt bleiben.


Fisch-Anlandung


Als wir nach dem Besuch noch einen kurzen Blick über den Strand werfen, kehrt gerade ein Fischerboot vom Meer zurück. Sofort laufen die Menschen zusammen und ziehen es gemeinschaftlich aus dem Wasser. Der Fang wird noch vom Boot aus an die Herbeigelaufenen verkauft.