Delegationsbericht 2
Dritter Tag. Wir stapfen zwischen Plastikmüll und einigen Holzstücken am weißen Sandstrand der Gemeinde Tornabe entlang. Der Name Tornabe soll aus den Zeiten der Invasion in der Gegend durch das US-Bananenunternehmen Tela Railroad Company stammen und von Turn About, den Scheitelpunkt der Bucht von Tela abgeleitet sein, erzählt uns später der Präsident der indigenen Vertretung, des Patronato von Tornabe.
Jetzt zeigen sich hier erst mal die Zeichen einer neueren Invasion: Links taucht ein verfallenes Wachhäuschen des Immobilien- und Tourismuskomplexes Indura Ressort auf, in der Ferne quert ein großer Anlegesteg den Strand und ragt weit in die gerade sanften blauen Wellen der Karibik. Wir sind mit Vertretern der Garífuna-Organisation OFRANEH und lokalen Mitgliedern des Landverteidigungskomitees und des Patronato unterwegs.
Wir gehen an einem Schild „Betreten Verboten. Privatgelände“ vorbei. Aus der Entfernung sehen wir angestammtes Gebiet der Garífuna, das eigentlich gar nicht verkauft hätte werden dürfen.Indura Beach ©HondurasDelegation |
Eigentlich sollten sie zumindest ein Betretungsrecht haben, denn sieben Prozent der staatlichen Anteile am Indura Ressort wurden angeblich den umliegenden Garífuna-Gemeinden übereignet. Ein Dokument haben sie nie gesehen, erzählt der Vertreter des Landkomitees. Normalerweise würden sie sofort von Wachpersonal verjagt, erzählt er. Heute können wir gemeinsam ein Stück in das Gelände hineinlaufen. Vor uns sehen wir luxuriöse große Privathäuser, neben uns eine Baustelle. Das gleiche Bild wie bereits in benachbarten San Juan: Sumpfige Stellen, die zur nahen Lagune gehören, werden aufgefüllt, um Bauland zu gewinnen. Unsere Begleiter würden gerne verhindern, dass diese Arbeiten immer weiter fortschreiten. Auch Tornabe fürchtet Überschwemmungen, wenn die Lagune immer weiter zerstört wird. Früher konnte man hier Riesenkrebse, Schildkröten und Leguane jagen, erzählen die älteren Garífuna-Aktivisten, diese Spezies seien inzwischen fast verschwunden und betreten dürften sie das Gebiet ja sowieso nicht.
„Unsere Vorfahren haben gewusst, dass sie nur große, erwachsene Exemplare erlegen dürfen und davon auch nicht zu viele. Aber diese Leute hier rotten auch schon die kleinen Krebse aus“, bedauert unser Begleiter. Auch an Hölzer für den traditionellen Hausbau und Gräser für Flechtmatten kämen die Garífuna nicht mehr heran. Drei jüngere Gemeindemitglieder ernten inzwischen ein paar dicke, saftige Früchte - Seetrauben. Früher seien sie ein wichtiges Zubrot für die Familien gewesen, jetzt hätten sie schon seit Jahren keine mehr gegessen. Vorsicht, werden wir gewarnt, als wir ebenfalls begehrlich auf die Büsche mit den verlockenden Kugeln schielen, es gibt just am Eingang auch giftige Trauben, die den genießbaren ähnlich sehen.
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Wir kehren um und laufen in der inzwischen sengenden Sonne zurück zum Friedhof von Tornabe.
Im kühlen Auto des inzwischen eingetroffenen Präsidenten des Patronato steuern wir die nächste Station dieses Landnahme-Dramas an: Am Straßenrand kündigt wieder ein Schild an, dass es sich hier um Privatgrund handle. Zur Abwechslung ist es mit einem stilisierten Wachmann mit Maschinengewehr verziert. Tatsächlich handelt es sich um den Kernbereich des Nationalparks Jeannette Kawas. Nach Naturschutzgebiet sieht es hier allerdings nicht aus. Der Weg Richtung Lagune wurde aufgeschottert. Rechts von uns wurden Bäume gefällt. Hier können wir nur wenige Meter laufen, bis zum zweiten Tor wagt sich hier niemand vor. Und das liegt nicht an der giftigen, knallgrünen Schlange die sich links durch Gras und Sumpf windet. Es wird vermutet, dass der Weg hier nicht nur zu den Palmöl-Pflanzungen führt, deren Wipfel wir hier in einiger Entfernung sehen, sondern auch zur Lagune, wo mit Verbindung zum offenen Meer ungesehen „weißer Stoff“ umgeladen werden kann. Palmöl-Pflanzungen haben große Teile des Nationalparks zerstört, für dessen Schutz die 1995 ermordete Naturschützerin Jeanette Kawas gekämpft hatte.
Am Nachmittag zurück in San Juan gehen Gewitterschauer nieder und wir ruhen aus und bekommen eine leckere Kokos-Suppe mit Meeresfrüchten und gestampften Bananen kredenzt.
Als der Regen nachlässt besuchen wir eine so genannte recuperacíon, eine Rückgewinnung von Land: Im letzten Jahr haben vor allem junge Garífuna aus San Juan das angestammte Gemeindeland „besetzt“. Ein kleines schilfgedecktes Gemeindehaus entsteht, einige wenige Häuschen sind zu sehen. Bis zu 120 Familien könnten hier leben. 50 Parzellen wurden schon verteilt. Allerdings: Auch sie müssten „zurückgewonnen“ werden, ist doch die Hälfte der Garífuna aus San Juan längst in die USA migriert. Auch hier, auf diesem Stück Hoffnung ist der Weg zu einem Arm der Lagune versperrt, wird sumpfiges Gelände von Unbekannten aufgefüllt und monströse Bauruinen aus Zement mit kitschigen Säulen darauf gesetzt. Ein Teil des Geländes an der Lagune ist mit hohen Mauern umgeben. Wütende Hunde hinter der Mauer bellen uns an und zeigen ihre spitzen Zähne.