Dienstag, 23. Januar 2018

Einsatzkräfte erschießen weiteren Demonstranten



Proteste, gewaltsame Repression und Kriminalisierung setzen sich fort. OAS will mit der gewählten Regierung kooperieren.

Proteste im Department Atlántida am Montagabend. Quelle: Radio Dignidad
(23. Januar 2018 – Hondurasdelegation) Auch am Montag wurden die Proteste gegen den Wahlbetrug in verschiedenen Landesteilen fortgesetzt. Wieder schossen Polizei und Militär auch mit scharfer Munition auf die Demonstrierenden. In Arizona im Department Atlántida wurde Ramón Fiallos von der Umwelt- und Menschenrechtsbewegung MADJ getroffen und erlag seinen Verletzungen. Der 60Jährige war Koordinator des MADJ in der Gemeinde El Retiro und an den Protesten gegen den Wahlbetrug als auch an Protesten gegen ein Staudammprojekt am Fluss Jilamito beteiligt.
Die Organisation MADJ war in den vergangenen Tagen und Wochen immer wieder Opfer von Einschüchterung und Repression. Mittlerweile wird die Strategie der Delegitimierung und Kriminalisierung der Proteste immer deutlicher. Die Plattform der sozialen und Volksbewegungen von Honduras (PMSPH) prangert in einem Kommuniqué Äußerungen des Oberst Hugo Coca, Kommandierender der Operation Xatruch in Tocoa an. Coca soll die seit Samstag friedlich Demonstrierenden gegenüber Medien als „Verbrecher“, die Waffen trügen, bezeichnet haben. Die Operation Xatruch, die Coca seit 2016 koordiniert, sei an der Vertreibung der Bevölkerung für extraktivistische Projekte beteiligt, so die Plattform.

Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Am Montag morgen (nicht erst am Dienstag, wie wir im vorangegangenen Beitrag zuerst fälschlich berichtet haben) begann die Anhörung im Fall des am 19. Januar verhafteten Edwin Robles Espinal, gegen den Terrorismusvorwürfe erhoben wurden. Die Anhörung fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit in einem Militärbataillon statt, weder Familienangehörige noch Journalist*innen noch Menschenrechtsbeobachter*innen wurden hereingelassen. Hernan Silva von Amnesty International berichtet: „Sie halten die Gerichtsverhandlung ohne jegliche nationale oder internationale Beobachtung ab. Das verstößt gegen nationale wie internationale Menschenrechtsabkommen, aber auch gegen die honduranische Verfassung und die Strafprozessordnung.“
Familienangehörige, die mit Plakaten vor dem Bataillon ihre Solidarität mit Espinal zeigten, erfuhren eine einschüchternde Behandlung durch das Militär. Wie aus verschiedenen Quellen berichtet wird, wurden die Vorwürfe des Terrorismus und des versuchten Mordes gegen Espinal inzwischen fallengelassen, aber die Anschuldigung der Sachbeschädigung blieb bestehen. Espinal wurde nach der Anhörung zurück ins Hochsicherheitsgefängnis La Tolva gebracht.
Das Zentrum für Demokratiestudien (CESPAD) stellt in seinem jüngsten Bericht, der auch die Verhaftung Espinals beinhaltet, fest: „Das Regime von JOH wendet das umstrittene neue Strafgesetzbuch mit seiner Rechtsfigur des Terrorismus an, (...) um die Führung sozialer Bewegungen zu kriminalisieren und den Protest der Bevölkerung einzudämmen. Dieser Sachverhalt wurde wiederholt von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission hinterfragt.“

Organisation Amerikanischer Staaten kündigt Kooperation mit Regierung an

Das CESPAD sieht Honduras in einer tiefen Krise der Demokratie, aus der die traditionelle Elite einen Ausweg durch „,mehr Autoritarismus und Menschenrechtsverletzungen“ suche, also den fortschreitenden Rückbau des demokratischen Systems noch weiter vorantreibt.
Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hat hingegen mitgeteilt, dass sie in Zukunft mit den gewählten Autoritäten von Honduras auf den Ebenen der Exekutive, Legislative und der Kommunen im Rahmen der bestehenden Abkommen zusammenarbeiten werde. Im Dezember, kurz bevor die honduranische Wahlbehörde TSE Hernández zum Wahlsieger erklärt hatte, hatte OAS-Generalsekretär Luis Almagro aufgrund des Ausmaßes der Unregelmäßigkeiten noch Neuwahlen gefordert. Laut Manuel Zelaya macht sich die OAS nun zur Sprecherin des US-amerikanischen Außenministeriums und hat Hernández praktisch anerkannt.
Die Europaabgeordnete Lola Sánchez von Podemos, die als Wahlbeobachterin der EU in Honduras war, will unterdessen eine Petition von Exilhonduraner*innen in Spanien vor das Europäische Parlament bringen. In einer Pressekonferenz am Montag sagte sie: „Die Repression, die die honduranische Bevölkerung erleidet, kann nicht toleriert werden. Die internationale Gemeinschaft darf nicht länger wegsehen.“
Der endgültige Bericht der Wahlbeobachtungsmission (MOE) werde in der zweiten Februarwoche in Brüssel vorgestellt und Anfang März in Honduras. Zu dem Zeitpunkt wird Hernández vermutlich schon das Präsidentenamt angetreten haben.